Theodor Buhl – Jule Andersen
Winterkorn – Die Lebenserinnerungen der Jule Andersen
Gebundene Ausgabe
208 Seiten
Verlag: Kindler (21. September 2012)
(Rowohlt Verlag GmbH)
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3463406374
€ 17,95
Herzlichen Dank an den Verlag für das Leseexemplar.
Verlagsinfo:
Jule Andersen war 72 Jahre alt, als ich sie kennenlernte.
Für mich, den 45 Jahre Jüngeren, kam sie aus einer fremden Welt. Als fünftes
von neun Kindern eines ungelernten Gelegenheitsarbeiters 1891 in Kiel geboren,
entstammte sie der untersten sozialen Schicht, blieb – wie die meisten ihrer
Geschwister – ohne jede Ausbildung und konnte niemals ein unabhängiges Leben
führen. Das alles tat ihrem Selbstbewusstsein keinen Abbruch. Ihr waches
Interesse für die Schicksale anderer Menschen und die politischen
Tagesereignisse, ihre tiefsitzende Abneigung gegen die Männer, ihre vitale,
bildhafte Sprache – eine Mischung aus Hochsprache und norddeutscher Mundart –
und die Lust am Reden und Lachen bestimmten die Gespräche mit ihr. Das
Material, aus dem ‹Winterkorn› entstanden ist, stammt überwiegend von
Tonbandaufzeichnungen alltäglicher Lebenssituationen und manchmal auch aus
Interviews – der ‹Klöterkasten›, wie Jule Andersen das Aufnahmegerät nannte,
lief, ohne dass sie das im Geringsten störte, meistens mit, wenn ich in ihren
letzten 12 Lebensjahren mit ihr zusammen war.»
Persönliches Vorwort:
Über das persönliche Leben meiner Großeltern ist mir nur
sehr wenig bekannt. Meine Großmutter väterlicherseits, geboren 1904, arbeitete
als Dienstmagd, ihr Mann war Arbeiter und sie lebten auf dem Land.
Meine Großmutter Karoline, 1897 geboren, arbeitete als
Hausangestellte, ihr Mann war Kutscher. Beide lebten in Berlin
Mir ist bekannt, dass meine Mutter an persönlichen
Aufzeichnungen schreibt, zum einen über ihr Leben in Berlin, die erlebte Zeit
während des Zweiten Weltkrieges, aber auch die Erinnerungen an ihre Eltern. Das
läßt hoffen, aber bitte nicht zu schnell, denn Lesen darf ich diese erst nach
ihrem Tod.
Insofern ist „Winterkorn“ auch eine persönliche Bereicherung.
Statement:
Theodor Buhl hat über zwölf Jahre Jule Andersen, am Anfang
ihres gemeinsamen Weg 72 Jahre alt, begleitet und ihre Lebensgeschichte
aufgezeichnet.
Jule Andersen, 1891 als fünftes von insgesamt neun Kindern
geboren, ein Leben in der unteren Schicht.
Den Status einer Familie, so wie wir ihn heute kennen bzw.
schätzen gelernt haben, kannte Jule nicht. Harte Arbeit, der Kampf um das
tägliche Brot gehörte von klein auf zu ihrem Leben. Ihr Vater Heinrich, ein
Möchte-gern-mehr-sein, kein Vorzeigevater. Ihre Mutter Elisabeth verstarb schon
mit 54 Jahren.
Theodor Buhl begleitet Jule Andersen, zeichnet ihre
Erinnerungen mit dem so genannten „Klöterkasten“, einem Aufzeichnungsgerät,
auf.
Jule Andersen wuchs ohne Ausbildung auf und trotz allem ist
sie ihren Weg gegangen. Sie kämpfte sich durchs Leben, schildert von ihren
Stellungen, sei es in einer Bäckerei, oder auf einem Bauernhof. Diese beiden
Beispiele habe ich nur so herausgepickt.
Man muss sich schon beim Lesen darauf einstellen, dass
urplötzlich von der hochdeutschen Sprache ins „Platte“, norddeutsche Mundart,
gewechselt wird. Plattdeutsch bzw. norddeutsche Mundart hören und verstehen,
ist die eine Seite, lesen und verstehen manchmal nicht so ganz einfach.
Ihr gesamtes Leben verbrachte Jule Andersen in
Schleswig-Holstein, genauer gesagt in und um Kiel.
„Mein Leben“, das Kapitel ist umfassend, informativ,
aufschlussreich.
„Winterkorn – Die Lebenserinnerungen der Jule Andersen“, ein
Lebensroman, der fast ein ganzes Jahrhundert umfasst. Ihre Schilderungen im
Umgang mit der Familie, ihre Lebenseinstellung, ihre Kritik, das Leben erleben
in zwei Kriegen, schon heftig.
Theodor Buhl, 45 Jahre jünger als Jule Andersen, hat die
Schilderungen ihres Lebens in einem knapp 200 Seiten umfassenden Buch sehr gut
dargestellt, wobei er – wie in seinem Nachwort zu lesen ist, die Aufzeichnungen
letztendlich sehr umfangreich geworden waren. (S. 201)
„Winterkorn – Die Lebenserinnerungen der Jule Andersen“ ist
in drei Teilen verfasst worden. „Mein Leben“ – „Ein Tag“ und „Eine Nacht“.
Eine persönliche, sehr offene, fast nackte geschilderte
Lebensgeschichte einer Frau, die daran erinnert, wie die Welt sich in den
vergangenen einhundert Jahren verändert hat.
Doch wie hat sich der Mensch verändert?
Unterschicht – Mittelschicht – Oberschicht? Klassendenken!