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Samstag, 21. Dezember 2024

Brief an Christine ~ Persönlich

 

Brief an Christine

vom wordpress blog 11. April 2015
buchnotiz.wordpress.com


„Liebe Christine, heute war kein guter Tagesanfang. Zu wissen, dass eine Frau vom Dach der Kurklinik in den Freitod gesprungen ist, macht mich sehr nachdenklich. Es geht mir gut, sei unbesorgt. Die Kinder sind in guten Händen. So langsam frage ich mich, wie ich es die nächsten Wochen hier noch aushalten soll. Die Kur abbrechen geht nicht. Und vor allem nach dem Ganzen, bis ich diese Kur endlich bewilligt bekam. Danke für all deine Hilfe in der Zeit, als ich kopflos wurde und du mir durch deine vielen Telefonate Hilfestellung gabst. Mir immer Mut gemacht hast, nicht aufzugeben, den Widerspruch einzureichen. Letztendlich war alles vom Erfolg gekrönt. Du warst für mich da in vielen meiner Krisenzeiten. Ich habe mich oft gefragt, wann waren deine? Unsere Freundschaft besteht nun über so viele Jahre und ich schaue positiv in die Zukunft. Während meiner Ehe hat unsere Verbundenheit sehr gelitten. Er mochte dich nicht, hat dich nie akzeptiert, geschweige respektiert. Wann immer es ging, hat er gegen dich geschimpft, versucht dich schlecht zu reden. So manches Mal dachte ich, dass der lange Faden unserer Freundschaft zerreißen würde. Es gab keine Machtkämpfe zwischen uns. Wir beide haben dies stets vermieden. Langsame Routine hatte sich bei uns eingeschlichen. Hier und da ein Anruf, der obligatorische Geburtstagsgruß, was bedeutete das für denjenigen? Bedeutete es das nahende Ende einer Freundschaft? Fragen über Fragen.
Auseinandersetzungen mit dem Partner versuchte ich zu vermeiden. Die Harmonie war mir wichtig. Weißt du noch, wie wir während unserer Ausbildungszeit die Jungs genarrt hatten? Alle dachten, bis zu dem Zeitpunkt unserer Berlin-Reise, wir hätten ein Verhältnis miteinander. Das war zu der damaligen Zeit verpönt und das Gerede hinter unserem Rücken machte uns so manches Mal zu schaffen. Du aber mit deinem Auftreten, deiner Persönlichkeit, tratest dem entgegen. Auch wir sind uns oft aus dem Weg gegangen, bis die Wut und der Ärger auf den anderen verflogen waren. Es gab den Weg zurück, und wir haben miteinander geredet. Im Laufe der Jahre haben wir unsere Grenzen dem anderen gegenüber abgesteckt, unsere Positionen geklärt.
Was ist der Sinn unseres Lebens? Diesen Satz hatte ich mir in der Vergangenheit oft gestellt. Geboren zu werden, um zu lieben und geliebt zu werden, neues Leben gebären, geliebt zu werden und dann am Ende unseres Weges wieder allein weiter zu gehen. Was würde ich den Lieben hinterlassen? Würde ich einen leeren Raum nur mit meinem Namen füllen? Oder würden sie meine Spuren im Sand der Zeit sehen, bevor der Seewind sie zerstört? Oberflächlich mit den Menschen umzugehen, hieß auch Distanz, keine Nähe zuzulassen. Das Lernen war nicht deine größte Stärke, doch du warst diszipliniert. Stets zum Lachen aufgelegt, verbreitest du gute Laune. Unsere gemeinsame Lieblingslehrerin hat einmal gesagt, ihr war noch nie zuvor so ein reizendes wie auch liebenswürdiges Mädchen begegnet. Du warst und bist es wohl heute noch, wir haben uns lange nicht gesehen, ein Meister der Körpersprache.

Ich lasse meinen Gedanken freien Lauf in diesen Zeilen. Hoffentlich bringt dich das Durcheinander nicht selbst durcheinander. Unsere damaligen fast ärmlichen Verhältnisse, in denen wir aufwuschen, wurden ausgeblendet durch deine Anwesenheit, deine Aura, die dich umgab. Die Eltern mussten mit dem Notwendigsten zurechtkommen. Großartige Wünsche konnten schlecht erfüllt werden. Aber meiner Mutter lag es sehr am Herzen, dass für Bücher ab und an Geld vorhanden war. Die Leihbücherei hatte ich schnell leer gelesen. Diese Liebe teiltest du nicht, doch du hast dich nie beschwert, wenn ich dich in meine Welt der Märchen und Fantasie entführte.“

Für einen Moment hielt ich inne und schaute vom Blatt hoch. Die eben noch da gewesenen Bilder zerplatzten wie eine Seifenblase und ich sah mich um. Keinerlei Wärme strahlte dieses Zimmer aus, die wenigen persönlichen Sachen wirkten wie tot. Alles, was ein Wohlfühlgefühl in dem Raum erzeugen würde, war nicht erlaubt. Angefangen von Blumen oder einem Blumenstrauß, Kerzen wegen der Feuergefahr, der nackte Fernseher thronte auf seinem Platz. Auf dem Regal über dem Bett standen die Fotos meiner Kinder und ein paar ausgesuchte Bücher. Ich beschloss, den Brief an einem anderen Tag weiter zu schreiben und legte ihn in die Schublade mit dem festen Vorsatz, ihn morgen zu beenden. Am Ende meiner Kur fand ich den Block beim Packen meiner Sachen. Die Schublade hatte ich bis dahin nicht geöffnet. Christine hat diesen Brief nie erhalten und mit keinem einzigen Wort habe ich ihn je ihr gegenüber erwähnt. Nun ist es zu spät, du bist gegangen.
Geblieben ist mir dieser nicht vollendete Brief als ein Geschenk an unsere Freundschaft, das Wissen um die Bedürfnisse, die wir haben. Das Geschenk nach echter Freundschaft, Lebensfreude und Zuversicht – auf das sie ewig währt.